04 Mär. '09

Dorfzentrum Leubringen-Evilard

Kategorie: Wettbewerbe

Argilo-Calcaire - Das Dorfzentrum von Leubringen wird mittels standorttypischem Jurakalkstein neu definiert.

 

Argilo-Calcaire (mit Steiner & Buschor Ingenieure und Planer AG, Burgdorf)

Grobkonzept

Evilard liegt direkt oberhalb von Biel auf einer Rodungsinsel am Südosthang der vordersten Jurakette. Der Jurakalkstein als Baustoff bei der geologischen und baulichen Entstehung des Dorfes führt uns zur übergeordneten Idee für die Neugestaltung des Dorfzentrums: die aktuellen, beliebig wirkenden Oberflächen werden durch die Verwendung des standorttypischen Gesteins neu definiert. Asphaltflächen, Schotterrasen, Pflanzrabatten und Mauern werden mit gelben Jurakalkstein ausgebildet. Dank dieser Intervention erhält das Dorfzentrum eine neue, einheitliche Identität.

 

Das Dorfzentrum von Evilard wird in drei Teilbereiche gegliedert, die alle der übergeordneten Gestaltungsidee folgen: Eingangs-, Kern- und Ausgangszone. Der Spielraum für Randnutzungen im Strassenraum ist in der Eingangs- und Ausgangszone durch das grosse Quergefälle und die beengten Platzverhältnisse stark eingeschränkt. Die bestehenden und von uns erweiterten Terrassierungen entlang der Kantonsstrasse ermöglichen auf den höher liegenden Ebenen neue Aufenthaltsräume, die sich durch eine schöne Fernsicht auszeichnen und zum Spielen und Verweilen einladen. Da das Quergefälle in der Kernzone weniger ausgeprägt ist und zudem durch die begrenzenden Hausfassaden ausgeglichen wird, kann der Strassenraum dort zu einem Platz aufgeweitet werden. Die Kantonsstrasse erhält in dieser Zone eine neue, geschwungene Führung und räumt den Vorbereichen der Häuser mehr Platz ein. Mit der angepassten Strassenführung wird der Strassenraum besser gekammert und der Verkehrsfluss verlangsamt. Erst dadurch erfüllen wir die Voraussetzung, dass in der offenen Kernzone flaniert, diskutiert und mit Wasser gespielt werden kann.

Der Verkehrsraum für Auto-, Bus-, Velo- und Fussverkehr befindet sich durch die ausgeprägte Topografie auf einer schiefen Ebene. Die Bewegungsräume der verschiedenen VerkehrsteilnehmerInnen werden uniform in gelbem Jura-Asphalt materialisiert, um die Trennwirkung der Kantonsstrasse zu mindern und das Dorfzentrum als Einheit erscheinen zu lassen.
Die Aufenthaltsräume, welche sich auf terrassierten Ebenen befinden, schaffen eine gewisse Distanz zu den Verkehrsräumen und sorgen so für eine entspannte, ruhige Stimmung. Ihre Oberflächen - Schotterrasenflächen und extensive Pflanzrabatten – werden ebenso mit Jurakalkstein ausgebildet wie die sie umgebenden Sitzmauern. Die ausgedehnteren Ebenen bieten Platz für spontane Begegnungen und vielfältige Nutzungen. Für Grossanlässe wie Märkte und Feste kann dank der zusammenhängenden Ausgestaltung und der zurückhaltenden Möblierung der gesamte Dorfplatz genutzt werden.

 

 

Räumliche Gestaltung / Nutzung

Eingangszone (Ostseite)

Unser Gestaltungsentwurf für die östliche Eingangszone baut auf der Projektidee „Uptown“ der Spaceshop Architekten GmbH auf (2. Rang im Ideenwettbewerb 2006). Einige Anpassungen unsererseits bügeln kleine Schwachstellen von „Uptown“ aus. So wird die Mächtigkeit der in der Projektidee vorgesehenen, zehn Meter hohen Mauer durch einen Rücksprung in der Mauer und durch die Bildung einer langgezogenen Zwischenebene entschärft. Über eine Treppenanlage gelangt man von der Route Principale über die von Pergolen gesäumte Zwischenebene zur Panoramaterrasse auf dem Niveau des Chemin des Ages. Auf der grosszügigen Terrasse eröffnet sich eine wunderbare Fernsicht über Biel und das Seeland bis in die Alpen. Die neu gestalteten Sitzinseln gliedern die Fläche in Teilbereiche, die offenen Räume bieten Platz für ein gemütliches Café. Das alte Ofenhaus mit der prächtigen Dorflinde und dem Brunnen wird in behutsamer Weise in eine temporär nutzbare Buvette für Feste und Apéros umgebaut. Durch den einheitlichen Bodenbelag wird ein direkter Zusammenhang zur Panoramaterrasse hergestellt.
Der Ankunftsraum beim Funiculaire wird durch einen grosszügigen Vorbereich übersichtlicher ausgestaltet und heisst Besucher willkommen. Informationstafeln zu lokalen Sehenswürdigkeiten und zum Fussweg- und Busnetz vereinfachen die Orientierung.

 

Kernzone

Durch den Rückbau der Zivilschutzanlage entsteht ein grosszügiger, offener Platz, welcher gegen Süden durch eine Mauer begrenzt wird. Diese Mauer fängt das Quergefälle auf und formt den Dorfkern im Zusammenspiel mit den umliegenden Gebäudefassaden. Auf der Südseite der Mauer sind etwas verdeckt Parkplätze und die Zufahrt zum Werkhof des Gemeindehauses angeordnet. Entlang der Ostseite des Gemeindehauses verläuft eine schmale Terrasse mit einer Sitzmauer, welche einen Blick auf das neue Wasserspiel und auf den Dorfkern eröffnet. Die Vorbereiche der angrenzenden Häuser werden aufgeweitet und wo nötig mit Sitzmauern ergänzt.
Ausgangszone (Westseite)
Die neu gestaltete Parkanlage wird in die drei Teilbereiche Eventplatz, Spielplatz und Picknickplatz gegliedert. Der Eventplatz bietet eine grosszügige, ebene Fläche, auf der bei Bedarf ein Festzelt aufgebaut werden kann. Der Spielplatz bietet mit Schotterrasenfläche und Spielgeräten auf einem Fallschutzbelag attraktive Betätigungsmöglichkeiten für Kinder und Erwachsene. Auf dem Picknickplatz können Gäste und Einheimische in gemütlicher Atmosphäre verweilen. Alle drei Teilbereiche werden durch Mauern gefasst, welche auf der platzzugewandten Seite als Sitzmauern ausgebildet werden und auf der wegzugewandten Seite das Längsgefälle aufnehmen, um eine Wegführung ohne Treppenanlagen zu ermöglichen. Die grosszügigen Wegverbindungen auf einem Hartbelag lassen unterschiedliche Nutzungen zu und werden durch ihre Breite zu eigenständigen, platzartigen Flächen. Zum Strassenraum hin wird der Raum für den Fussverkehr aufgeweitet, in dem die Mauern auf die Flucht des Gemeindehauses gesetzt werden. Der einheitliche Belag reicht über die Kantonsstrasse hinweg bis an die Hausfassaden von Bäckerei, Metzgerei und Restaurant, um diese besser in das Dorfgefüge zu integrieren. Der Park wird westseitig von einer Parkplatzreihe abgeschlossen.

 

Materialisierungskonzept

Der Grundbaustoff für das neue Dorfzentrum ist Jurakalkstein. Die Verkehrsräume werden aus Asphalt mit Farblosbitumen und Jurakalkstein gebildet. Die meisten bestehenden Mauern sind bereits heute aus Jurakalkstein gebaut. Neue Mauern werden mit diesem Stein gebaut, bestehende Betonmauern werden ebenfalls mit diesem Material verblendet. Im Park entstehen auf einem Jurakalkschotter-Substrat Schotterrasenflächen, welche sich durch die höhere Festigkeit gegenüber einem herkömmlichen Rasen ausgezeichnet für Spiele und Feste eignen. Die extensiven Pflanzflächen im Park und bei den Sitzinseln werden ebenfalls mit einem Gemisch aus Kulturerde-Jurakalkschotter ausgestaltet, welches als Nährboden für eine ortstypische, pflegeleichte Vegetationsschicht dient.

 

Vegetationskonzept

Die standorttypischen Pflanzengesellschaften des Jurasüdosthanges wie Hainsimsen-Traubeneichenwald, Platterbsen-Traubeneichenwald, Alpenkreuzdorn-Eichenwald, Zahnwurz-Buchenwald, Weissseggen-Buchenwald, Blaugras-Buchenwald und verschiedene Halb- und Volltrockenrasen werden in abstrahierter Form in das Dorfbild integriert. Im Park und auf den Sitzinseln spriessen Bäume der obengenannten Gesellschaften aus dem Jurakalkschotter, welche von Natur aus nicht sehr hochwachsen, wie Schneeball Ahorn, Flaum- und Traubeneichen, Speierling, echter Mehlbeerbaum, Elsbeerbaum, Gemeiner Kreuzdorn und Felsenkirsche. Die Strauch- und Krautschicht dieser Pflanzengesellschaften wachsen von Natur aus niedrig. Dadurch werden die Stämme der Bäume besser wahrgenommen und die Übersichtlichkeit zugunsten der Sicherheit im öffentlichen Raum wird erfüllt. Die Strauch- und Krautschicht besteht aus Strauchkronwicke, Felsenmispel, Alpen-Geissblatt, Gemeiner Seidelbast, Berberitze, Liguster, Schlehdorn, versch. Seggenarten, Blaugras, Perlgras, Glockenblume, Storchenschnabel, Maiglöckchen, Schlüsselblume, Graslilie, Streifenfarn und Salamonssiegel (eine abschliessende Pflanzenliste würden den Rahmen dieser Arbeit sprengen, daher wurden exemplarisch einige mögliche Pflanzen aufgezeigt, welche in den obengenannten Pflanzengesellschaften vorkommen und sich für eine Bepflanzung im öffentlichen Raum eignen). Es sollen nicht bereits bestehende Pflanzengesellschaften nachgebaut werden, sondern auf Basis dieser, für Evilard typische, neue Pflanzengesellschaften entstehen. Gelegentliche Pflegeeingriffe reichen aus, um ein langfristiges Gedeihen der an die lokalen Umweltbedingungen bestens angepassten Pflanzengesellschaften zu ermöglichen.

 

Beleuchtungskonzept

Unser Beleuchtungskonzept passt sich den unterschiedlichen Bedürfnissen der drei Zentrumszonen an. Während in der Kernzone die Beleuchtung intensiver in Erscheinung tritt, steht in der Ein- und Ausgangszone die Beleuchtung des Strassenraumes im Vordergrund. Dank sieben Meter hohen Leuchtsäulen wird der Verkehr auf der Hauptachse auch bei Dunkelheit sicher geführt. Die eingesetzten CITYELEMENT S (s. Bild) Leuchtsäulen zeichnen sich durch schlichte Eleganz bei Tag und Nacht, effiziente Lichttechnik und bequeme Wartung aus. Allfällige Angsträume längs der Strasse können durch das modulare System der Leuchtsäulen gezielt ausgeleuchtet werden. Im Park erfolgt die Beleuchtung durch in den Mauerscheiben eingelassene Leuchtmittel. Diese sorgen auf den Gehwegen für ausreichende Helligkeit und subjektive Sicherheit, während die nachts unbenutzten Grünplätze im Dunkeln bleiben und nur bei Festivitäten beleuchtet werden. Entlang des Chemin des Ages und auf der von Pergolen gesäumten Zwischenebene oberhalb der Route Principale ergänzen sich Leuchtsäulen und in den Mauerscheiben eingelassenen Leuchtkörper gegenseitig, so dass alle Fusswege auch nachts sicher begangen werden können. In der Kernzone kommt der Beleuchtung eine weitere Funktion zu: Die Inszenierung des Wasserspiels und ästhetisch wertvoller Bauten um den zentralen Dorfplatz, welche durch eine zurückhaltende Fassadenbeleuchtung erreicht wird. So wird sichergestellt, dass der Dorfplatz zu allen Tages- und Nachtzeiten eine hervorragende Aufenthaltsqualität bietet.

 

Wasser

Die Brunnen von Evilard sind heute entlang der Strasse plaziert. Daher liegt es nahe, dass der Brunnen beim Gemeindehaus ebenfalls in den Strassenraum beim Park verlegt wird. So können sich bei Bedarf alle im Vorbeigehen erfrischen, was angesichts der steilen Topografie sicher gerne angenommen wird. Im Park, auf dem grossen Platz vor dem Gemeindehaus und bei der Strassenverzweigung vor den beiden neuen Gebäuden (Leuthardtgelände) werden Wasserfontänen installiert, welche im Sommerhalbjahr aus den harten Belagsflächen in die Höhe steigen und für Kinder und Erwachsene eine willkommene Abwechslung bieten.

 

Etappierung

Voraussetzung für eine Koexistenz aller Verkehrsteilnehmer ist der Umbau der bestehenden Strassenanlage und die Neugestaltung des zentralen Platzes. Beides bedingt den vorgängigen Rückbau der Zivilschutzanlage. Diese Arbeiten sind daher in einer ersten Etappe auszuführen. Parallel dazu schlagen wir vor, das Parkierungskonzept zu überdenken. Sollen die Parkplätze weiterhin oberirdisch angeboten werden oder in eine zentrale Einstellhalle unter einem der neuen Leuthardt-Gebäude verlegt werden? Falls die Parkplätze weiterhin oberirdisch angeboten werden sollen, werden in der zweiten Etappe die beiden neuen Gebäude auf dem Leuthardt-Areal erstellt sowie die östlich davon angrenzenden Gebiete umgestaltet. Der Park inklusive der dortigen Parkplätze kann in einer dritten Etappe realisiert werden. In einer vierten Etappe können schliesslich die Parkplätze südlich der heutigen Zivilschutzanlage neu gestaltet werden. Falls die Wahl auf den Bau einer Einstellhalle fallen sollte, können in der zweiten Etappe die beiden neuen Gebäude auf dem Leuthardt-Areal erstellt sowie die östlich davon angrenzenden Gebiete umgestaltet und die oberirdischen Langzeit-Parkplätze in die neu erstellte Einstellhalle verlegt werden. Die Veloparkierung müsste in diesem Fall teilweise anders disponiert werden. Der Park kann dann in einer dritten Etappe realisiert werden.